„Die Wasungu [= Deutschen] haben auch folgende Narrheit. Fragst du in Kitara [= Afrika]: Wer ist da? So ist die Antwort: Muntu, ein Mensch! Die Wasungu aber teilen die Menschen ein nach dem, was sie tun. Sie wollen, daß jeder Mensch nur eine bestimmte Narrheit tue, damit Unterschiede entstehen und sie mehr zählen können. Der Zahlenkarl führte mich in ein Haus, in dem viele Männer Messer schliffen. Sie sahen sehr blaß aus. Ich fragte, wo diese Menschen ihren Acker hätten, worauf mir geantwortet wurde, sie täten nie etwas anderes, als Messer schleifen; nur dadurch könne man mit Bestimmtheit sagen, daß Menschen, die jeden Tag Messer schliffen, schon mit dreißig Jahren sterben. Und sein Auge leuchtete vor Freude, als er mir mitteilte, daß ein ebenso kurzes Lebensalter die Menschen hätten, die jeden Tag nichts anderes täten, als den Schluckern in den Steinhöhlen Leichenteile, Pombe und Rauchrollen zu bringen. Als ich vor Schrecken über diese Verrücktheit den Kopf schüttelte, sagte Karl, ich könne nicht zweifeln, das sei wissenschaftlich einwandfrei festgestellt und man hoffe, mit der Zeit noch genauere Zahlen zu bekommen.
"So wirst Du jetzt wissen, was eigentlich diese Wasungu tun und weshalb sie immerfort etwas tun. Ich sage es Dir: sie sind fortgesetzt in Bewegung, um sich gegenseitig in der Ruhe zu stören, um dafür zu sorgen, daß alle Menschen fortwährend durcheinander laufen müssen und nicht zum Nachdenken kommen. Nun beschäftigen sie sich aber damit, in die Unruhe eine Ordnung zu bringen, auf die sie stolz sind. Sie vergessen dann, daß sie selbst erst die Unruhe gemacht haben, die gar nicht nötig war, und sprechen dann von der Ordnung.
Nein, Lieber, Du kannst es nicht verstehen. Du wirst an Kitara denken. Wozu Ordnung? Die Berge sind da, und in den Tälern fließen die Bäche. Ist das Wasser angeschwollen, so wartet man, bis es sich verläuft. »Amri ya Mungu.« Es ist Gottes Befehl, murmelt der Wanderer und fügt sich in Demut. Die Ordnung aber ist gegen das Gebot Gottes, und seine Strafe bleibt nicht aus. [...] Diese Strafe ist gerecht; denn es sind unnütze Dinge und eine selbstgewollte Unordnung, in die von unnützen Menschen Ordnung gebracht wird.“

Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland (1912/13)

Übernommen aus Wikiquote. Letzte Aktualisierung 15. September 2023. Geschichte

Ähnliche Zitate

Theodore Roosevelt Foto
Friedrich Nietzsche Foto
Immanuel Kant Foto

„Das Feld der Philosophie lässt sich auf folgende Fragen bringen: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?“

Immanuel Kant (1724–1804) deutschsprachiger Philosoph der Aufklärung

Jäsche, Logik
Logik (1800)

Nagib Mahfuz Foto

„Ob ein Mensch klug ist, erkennt man an seinen Antworten. Ob ein Mensch weise ist, erkennt man an seinen Fragen.“

Nagib Mahfuz (1911–2006) ägyptischer Schriftsteller

zitiert in: Frankfurter Allgemeiner Zeitung, Literatur, Zuschauer der Schiffbrüche: Nagib Machfus ist tot, Stefan Weidner, 30. August 2006, faz.net https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/literatur-zuschauer-der-schiffbrueche-nagib-machfus-ist-tot-1355093.html
Zugeschrieben

Pierre-Marc-Gaston de Lévis Foto

„Ob ein Mensch klug ist, erkennt man viel besser an seinen Fragen als an seinen Antworten.“

Pierre-Marc-Gaston de Lévis (1764–1830) französischer Politiker und Schriftsteller

Original franz.: "Il est encore plus facile de juger de l'esprit d'un homme par ses questions que par ses réponses." - Maximes et réflexions (1808), 5. Aufl. 1825 p. 5 books.google http://books.google.de/books?hl=de&id=g9lDAAAAcAAJ&pg=PA5

„Die Menschen zahlen mehr für Unterhaltung als für Bildung.“

Dale Carnegie (1888–1955) US-amerikanischer Schriftsteller und Persönlichkeitstrainer
Jane Goodall Foto

„Wenn Schimpansen Gewehre und Messer hätten und wüssten, wie man mit ihnen umgeht – sie würden sie benutzen wie der Mensch.“

Jane Goodall (1934) britische Verhaltensforscherin

in Der Spiegel 34/2006 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-48495971.html

Andreas Eschbach Foto

Ähnliche Themen