„Die Furcht nimmt immer die Maske, den Stil der Zeiten an. Das Dunkel der Weltraumhöhle, die Visionen der Eremiten, die Ausgeburten der Bosch und Cranach, die Hexen- und Dämonenschwärme des Mittelalters sind Glieder der ewigen Kette der Angst, an die der Mensch wie Prometheus an den Kaukasus geschmiedet ist. Von welchen Götterhimmeln er sich auch befreien möge — die Furcht begleitet ihn mit großer List. Und immer erscheint sie ihm in höchster, lähmender Wirklichkeit. Wenn er in strenge Erkenntniswelten eintritt, wird er den Geist verlachen, der sich mit gotischen Schemen und Höllenbildern ängstigte. Er ahnt kaum, daß er in den gleichen Fesseln gefangen liegt. Ihn freilich prüfen die Phantome im Erkenntnisstil, als Fakten der Wissenschaft. Der alte Wald mag nun zum Forst geworden sein, zur ökonomischen Kultur. Doch immer noch ist in ihm das verirrte Kind. Nun ist die Welt der Schauplatz von Mikrobenheeren; die Apokalypse droht wie je zuvor, wenngleich durch Machenschaften der Physik (nicht nur der Physik! HB). Der alte Wahn blüht in Psychosen, Neurosen fort. Und auch den Menschenfresser wird man in durchsichtiger Verkleidung wiederfinden — nicht nur als Ausbeuter und Treiber in den Knochenmühlen der Zeit. Er mag vielmehr als Serologe inmitten seiner Instrumente und Retorten darüber sinnen, wie man die menschliche Milz, das menschliche Brustbein zum Ausgangsstoff für wunderbare Medizinen nimmt. Da sind wir mitten im alten Dahomey, im alten Mexiko.“

Letzte Aktualisierung 2. Juli 2022. Geschichte

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„Immer weniger Menschen fürchten den Großen Bruder,
weil immer mehr Angst haben, übersehen zu werden.“

Stefan M. Gergely (1950) österreichischer Journalist und Sachbuchautor

Quelle: Zitat aus: Stefan M. Gergely: Sprach:Bilder. Gedanken, Gedichte, Fotos. Verlag Bibliothek der Provinz: Weitra 2020, ISBN 978-3-99028-936-5, S. 273

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„Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr des Faschisten in der Maske des Faschisten, sondern vor dessen Rückkehr in der Maske des Demokraten.“

Theodor W. Adorno (1903–1969) deutscher Philosoph, Soziologe, Musiktheoretiker und Komponist

Zuschreibung durch Peter Mühlbauer: Unbewusstes Battle Reenactment https://www.heise.de/tp/features/Unbewusstes-Battle-Reenactment-3413810.html, Telepolis 4. Juni 2007. Offenbar eine Paraphrasierung der folgenden Passage aus einem 1959 gehaltenen Vortrag Adornos:
"Ich möchte nicht auf die Frage neonazistischer Organisationen eingehen. Ich betrachte das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie als potentiell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie. Unterwanderung bezeichnet ein Objektives; nur darum machen zwielichtige Figuren ihr come back in Machtpositionen, weil die Verhältnisse sie begünstigen." - Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit? Vortrag auf der Erzieherkonferenz des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Wiesbaden, 6. November 1959, in: Erziehung zur Mündigkeit books.google PT8 https://books.google.de/books?id=lKNECgAAQBAJ&pg=PT8; signale.cornell.edu https://signale.cornell.edu/text/was-bedeutet-aufarbeitung-der-vergangenheit; Tonaufnahme https://www.youtube.com/playlist?list=PLF2BCC5C2172F9274. Siehe auch falschzitate.blogspot http://falschzitate.blogspot.com/2017/08/ich-furchte-nicht-die-ruckkehr-der.html.
Fälschlich zugeschrieben

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„Das höchste Glück des Menschen ist die Befreiung von der Furcht, also vom Zweck.“

Walther Rathenau (1867–1922) deutscher Industrieller und Politiker

"Auf dem Fechtboden des Geistes - Aphorismen aus seinen Notizbüchern", nach der Auswahl Wiesbaden 1953, Seite 71, zitiert nach walter-rathenau.de http://www.walther-rathenau.de/aphorismen.htm

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„Den Tod fürchte ich nicht,
aber ich habe Angst vor dem Sterben.“

Stefan M. Gergely (1950) österreichischer Journalist und Sachbuchautor

Quelle: Zitat aus: Stefan M. Gergely: Sprach:Bilder. Gedanken, Gedichte, Fotos. Verlag Bibliothek der Provinz: Weitra 2020, ISBN 978-3-99028-936-5, S. 282

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„Ein einziges Glied, das in einer großen Kette bricht, vernichtet das Ganze.“

Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) deutscher Dichter und Dramatiker

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Erzählungen, Wilhelm Meister (1795/1796: Wilhelm Meisters Lehrjahre; 1821/1829: Wilhelm Meisters Wanderjahre)

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„Tu das, was du fürchtest und der Tod der Angst ist sicher.“

Ralph Waldo Emerson (1803–1882) US-amerikanischer Philosoph und Schriftsteller
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„Mit der Zeit hassen wir das, was wir oft fürchten.“

William Shakespeare (1564–1616) englischer Dramatiker, Lyriker und Schauspieler

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