„Wenn ich die Kunst als eine Lebensanschauung bezeichne, meine ich damit nichts Ersonnenes. Lebensanschauung will hier aufgefaßt sein in dem Sinne: Art zu sein. Also kein Sich-Beherrschen und – Beschränken um bestimmter Zwecke willen, sondern ein sorgloses Sich-Loslassen, im Vertrauen auf ein sicheres Ziel. Keine Vorsicht, sondern eine weise Blindheit, die ohne Furcht einem geliebten Führer folgt. Kein Erwerben eines stillen, langsam wachsenden Besitzes, sondern ein fortwährendes Vergeuden aller wandelbaren Werte. Man erkennt: diese Art zu sein hat etwas Naives und Unwillkürliches und ähnelt jener Zeit des Unbewußten an, deren bestes Merkmal ein freudiges Vertrauen ist: der Kindheit. Die Kindheit ist das Reich der großen Gerechtigkeit und der tiefen Liebe. Kein Ding ist wichtiger als ein anderes in den Händen des Kindes. Es spielt mit einer goldenen Brosche oder mit einer weißen Wiesenblume. Es wird in der Ermüdung beide gleich achtlos fallen lassen und vergessen, wie beide ihm gleich glänzend schienen in dem Lichte seiner Freude. Es hat nicht die Angst des Verlustes. Die Welt ist ihm noch die schöne Schale, darin nichts verloren geht. Und es empfindet als sein Eigentum Alles, was es einmal gesehen, gefühlt oder gehört hat. Alles, was ihm einmal begegnet ist. Er zwingt die Dinge nicht, sich anzusiedeln.“

Letzte Aktualisierung 3. Oktober 2025. Geschichte
Rainer Maria Rilke Foto
Rainer Maria Rilke 106
österreichischer Lyriker, Erzähler, Übersetzer und Romancier 1875–1926

Ähnliche Zitate

Samuel Smiles Foto

„Die Vorschrift mag uns den Weg weisen, aber das stille, fortwährende Beispiel bringt uns vorwärts.“

Samuel Smiles (1812–1904) englischer Moralschriftsteller

Selbsthilfe

Michael Ende Foto
Seneca d.J. Foto

„Jener ist am glücklichsten und ein sorgloser Besitzer seiner selbst, der das Morgen ohne Beunruhigung erwartet.“

Moralische Briefe an Lucilius (Epistulae morales ad Lucilium), I, XII, 9
Moralische Briefe an Lucilius - Epistulae morales ad Lucilium
Original: (lat) Ille beatissimus est et securus sui possessor qui crastinum sine sollicitudine exspectat.

Jacques Lacan Foto
Diese Übersetzung wartet auf eine Überprüfung. Ist es korrekt?
Timothy Leary Foto
Aristoteles Foto
Aleister Crowley Foto

„Wenn Du die Kunst beherrschst, ein freier Mensch zu sein, hast Du ein Ziel und kümmerst Dich nicht darum, ob Du es jemals erreichen wirst. Denn in der [Freiheit ist der Weg das Ziel. Allerdings nur, wenn Du nie aufhörst, Deinen Weg zu gehen.“

Josef Kirschner (1931–2016) österreichischer Journalist

DIE EGOISTEN-BIBEL; Anleitung fürs Leben, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knauer Nachf. München, TB Ausgabe 2002, ISBN 3-426-82327-6, 14. S. 145.

Jonathan Edwards Foto

„Vertraue auf Gott und du brauchst dich nicht zu fürchten.“

Jonathan Edwards (1703–1758) amerikanischer Prediger, Missionar und Führer der Erweckungsbewegung des Great Awakening

Letzte Worte, 22. März 1758
Original engl.: "Trust in God, and you need not fear."

Gottfried Wilhelm Leibniz Foto

„Alles ist also im Menschen, wie überall, im voraus sicher und bestimmt, und die menschliche Seele ist somit eine Art geistiger Automat.“

Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) deutscher Philosoph und Wissenschaftler

Theodizee Erster Teil, Pt. 52

Ähnliche Themen