Ernst Jünger:
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Ernst Jünger war deutscher Schriftsteller und Publizist.
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„Die Astrologie gibt das Muster einer Methodik, die das Leben mit größeren Abläufen verknüpft. Sie greift weit über die biologisch - historische Erfassung sowohl der Einzelnen als auch der Kulturen hinaus. Ihre Vorstellung, ihr Symbol, das Horoskop, ist zyklisch, und da es sich auf den größten und ältesten Umlauf bezieht, den wir kennen, genügt ihr eine einzige und unveränderliche Uhr zur Ablesung dessen, »was die Stunde geschlagen hat«. Dieser Zyklus setzt dem Astrologen zugleich die meßbare astronomische und die zu deutende Schicksalszeit. Logos und Nomos werden in Beziehung gesetzt, ja ausgetauscht, und schmelzen für den deutenden Blick ineinander ein.“
„Auch am Materialismus ist zu unterscheiden zwischen seiner sichtbaren und seiner unsichtbaren Macht, zwischen seiner Oberflächen- und seiner Grundströmung, zwischen der Art, in der er durch Menschen vertreten und begründet wird, und seinem schicksalhaften Zug. Die große Gewalt, mit der er auf dem Erdkreis »mit dem Hammer« die alten Gesetze bricht, deutet auf einen stärkeren Auftrag als den rationalen hin. Daraus eben erklärt sich, daß er mit stets wachsender Gewalt seinen Siegeszug fortsetzt, obwohl die Theorien, die ihn vertreten, so oft und so gründlich durch glänzende konservative Geister widerlegt worden sind. Aber widerlegt man denn ein Erdbeben? Eher baut man die Städte um. Hier wiederholt sich das Schauspiel, daß der Geist, und insbesondere der gebildete Geist, eine Veränderung deshalb unterschätzt, weil sie nicht in seine Kategorien paßt. Aber er kann nicht durchdringen, weil die Kategorien selbst, etwa seine Kultur oder sein Geschichtsbild, erschüttert sind. Nun greifen die bewährten Mittel nicht mehr. So sah der Mandarin die weißen Teufel in den Häfen landen, so sah dergebildete Grieche die ersten Christen, das Zeichen des Fisches, an.“
„Mit Recht hat man im Rationalismus von jeher die zerstörende Hauptmacht gesehen. Er wirft die Flutwelle mit dem leuchtenden Kamm, der kein Gebäude standhält und in der sich Aufklärung und Wissen vereinigen. Von hier aus wird der erste Angriff geführt, der innere Leere schafft und der Entzauberung, Entweihung, Entheiligung bringt. Er kann aber nicht aus sich wirken, sondern nur nach erfüllter Zeit, sowohl abräumend wie voreilend. Die Aufklärung eilt wie eine Luftwelle dem Materialismus voran, bewegt Danton wie Friedrich, zerstört die feineren Gefüge; die sichtbaren Gebäude stürzen nach. Es ist nur der erste Streich, der… das Standbild des Königs trifft. Die anderen fallen auf den Marmorblock. Wenn wir heute die herrschende Lehre als Materialismus bezeichnen, so drückt sich darin aus, daß die Aufklärung im großen und ganzen ihre Rolle beendet hat. Sie spielt sie auf Randflächen, in »un- und unterentwickelten Gebieten« in Form blitzschneller Abräumungen fort. Das ist nicht nur ein Zeichen vorgeschrittener Zeit und der Schwerkraft von Großräumen, sondern an sich und in sich gesteigerter und ununterbrochen sich steigernder Macht, von Erdmacht schlechthin. Der Materialismus ist Gürtel und Gorgonenhaupt des Arbeiters. Die mythischen Bilder sind am Platze; keine historische Macht kann der Erdmacht standhalten.“
„Auch das sah Nietzsche voraus, und auch die Zersprengung des Weltstaates infolge der Akkumulation. Doch das sind fernere Sorgen, sie berühren uns nicht. Da sich Wörter wie »Krieg« und »Frieden« ändern, ist es wahrscheinlich, daß sich jenseits der Zeitmauer auch Wörter wie »Staat« ändern. Vermutlich wird der Weltstaat einen Status, eine Station bezeichnen, deren Formen und deren Dauer nicht abzusehen sind. Die absolute Zeitrechnung kennt längere Rhythmen als die historische. Es ist zu vermuten, daß die »Große Fahrt« nur Augenblicke in Anspruch nimmt, zwischen die sich unvorstellbar lange Pausen einschieben. Die Erde trägt, wie Bohrungen erwiesen haben, Korallenstöcke, deren Gründung bis auf das Eozoikum (heute nennt man es Proterozoikum; HB) zurückgeht, die Morgenröte nicht der Geschichte, sondern des Lebens überhaupt.“
„Wenn ein so scharfsinniger Kopf den Umfang eines Phänomens verkennt, so kann das nicht an seiner Intelligenz, es muß an seiner Position liegen. Er gleicht dem Jäger auf seinem Anstand, von dem aus er die Ungeheuer früher als die meisten anderen auftauchen sieht und mit passionierter Schärfe erkennt. Aber sie ziehen in ungeahnter Richtung vorbei und verlieren sich in unerforschten Dickichten. Trotzdem wurde ein Abschnitt der großen Jagd in ungewöhnlichem Denkstil erfaßt. Das gilt auch für Spenglers System. Die Kulturen werden im Nach- und Nebeneininder gesehen, nicht aber, wie von Herder, Goethe, Hegel, architektonisch und symphonisch oder, wie von Nietzsche, als Ouvertüre eines neuen Weltalters. Entscheidung, Kampf um die Vormacht, Zeitalter der kämpfenden Staaten - das alles ist nicht der Sinn; es sind die Wehen, in denen die Erde eine ihrer großen metahistorischen Phasen abschließt und eine andere beginnt. Dann werden die Grenzen fallen und auch räumlich »Orient und Okzident… nicht mehr zu trennen« sein.“