„Er liebte mich nicht, er liebte das Bild, das er von sich hatte, und er wollte, daß ihn jemand darin bestätigte, jede wäre ihm recht, ich war nicht wichtig, also brauchte ich mir um ihn auch keine Gedanken zu machen.“ — Margaret Atwood, buch Der lange TraumSurfacing
„Ich blicke mich um, betrachte die Wände, das Fenster; alles ist wie früher, unverändert, aber die Umrisse sind verschwommen, als ob alles leicht verzerrt sei. Ich muss vorsichtiger mit meinen Erinnerungen umgehen, ich muss sicher sein, dass es meine eigenen und nicht die anderer Leute sind, Leute, die mir erzählen wollen, was ich empfand, wie ich mich verhielt, was ich sagte: Wenn die Ereignisse nicht stimmen, stimmen auch die Empfindungen nicht, die ich dabei hatte; ich werde anfangen, sie zu erfinden, und es gibt dann keine Möglichkeit mehr, das zu korrigieren, weil die, die mir helfen könnten, nicht mehr da sind, Ich überfliege schnell meine Version meines Lebens, überprüfe sie wie ein Alibi; es passt zusammen, es ist alles da bis zu der Zeit, als ich fortging. Danach ist mein Leben wie ein entgleister Zug, für einen Augenblick verliere ich es aus den Augen, es ist wie weggewischt; ich weiß nicht mal mein genaues Alter, ich schließe die Augen, was ist das? Die Vergangenheit zu besitzen, aber nicht die Gegenwart, das bedeutet, man fängt an senil zu werden.Ich kämpfe gegen die Panik, die in mir aufsteigt, ich öffne meine Augen gewaltsam, betrachte meine Hände, mein Leben ist darin eingeritzt. Ich öffne die Hand, und die Linien fließen auseinander. Ich konzentriere mich auf das Spinnennetz beim Fenster, in dem gefangene Fliegenkörper hängen, die das Sonnenlicht auffangen; die Zunge in meinem Mund bildet meinen Namen, wiederholt ihn wie ein Psalm…Dann klopft jemand an die Tür. "Gefangen, gefangen", sagt jemand, es ist David, ich erkenne ihn, Erleichterung, ich bin wieder da, wo ich hingehöre.“ — Margaret Atwood, buch Der lange TraumSurfacing
„Mir war nicht schrecklich zumute; ich war mir klar darüber, daß mich nicht mehr viel berührte, schon seit langer Zeit nicht mehr. Vielleicht war ich schon mein ganzes Leben lang so gewesen, genau wie manche Kinder taub oder ohne Tastsinn geboren werden; aber wenn das der Fall gewesen wäre, hätte ich das Fehlen von Gefühlen nicht bemerkt. Irgendwann mußte sich mein Hals geschlossen haben wie ein zufrierender Teich oder eine vernarbende Wunde und hatte mich in meinem Kopf eingeschlossen. Seitdem war alles von mir abgeprallt, es war, als steckte ich in einer Vase. Es war wie früher im Dorf, wo ich sehen, aber nicht hören konnte, weil ich die Sprache nicht verstand. Flaschen verzerren auch: Frösche im Marmeladenglas sehen breitgedrückt aus, für die muß ich ein grotesker Anblick gewesen sein.“ — Margaret Atwood, buch Der lange TraumSurfacing
„Warum hatten sie ihn aufgehängt wie ein Lynchopfer, warum hatten sie ihn nicht einfach weggeworfen wie den Abfall? Um zu beweisen, daß sie es tun konnten, daß sie die Macht hatten, zu töten. Sonst hatte er keinen Wert: aus der Entfernung war er schön, aber man konnte ihn nicht zähmen oder kochen oder ihm Sprechen beibringen; das einzige Verhältnis, das sie zu so einem Tier haben konnten, war, es zu vernichten. Nahrung, Sklave oder Kadaver, das waren die einzigen Möglichkeiten; abgesägte Köpfe mit Hörnern oder Hauern an der Wand von Billardzimmern, präparierte Fische, Trophäen.“ — Margaret Atwood, buch Der lange TraumSurfacing
„Ich höre die Stimmen der anderen und das Mischen und Aufklatschen von Karten durch die geschlossene Tür. Das Lachen aus der Konserve, sie führen es mit sich; winzige Tonbandspulen und eine Einschalttaste sind irgendwo in ihrem Brustkasten versteckt, sie sorgen für sofortige Wiedergabe.“ — Margaret Atwood, buch Der lange TraumSurfacing