„Der klassische Darwinismus zählt zu den linearen Systemen, doch dringen zyklische Vorstellungen in ihn ein. Die Darstellung der dürren Stammbäume in den Lehrbüchern beginnt sich zu belauben, nimmt Busch- und Kugelformen an. Das »biogenetische Grundgesetz« ist als Beleg des linear aufsteigenden Fortschreitens gedacht. Es läßt sich ebensogut als Wiederholung und Wiedervollzug des Schöpfungsgedankens im Einzelnen auffassen und als Dienst, den die gesamte Natur, ja das Universum selbst, an seiner Bildung zu leisten hat. Das große Theater kreist um ihn herum. Mit jedem Menschen wird die Welt neu konzipiert. In der Entwicklung der Tierstämme herrscht über dem lückenlosen Fortfließen des Bios die Wiederkehr von Bildungselementen, die von der Verwandtschaft unabhängig sind: der ideale Eingriff formender Prinzipien. Jeder der großen Stämme bildet in sich fliegende, schwimmende, landbewohnende Wesen aus, Parasiten und Nachahmer, Raubtiere und Pflanzenfresser, und es ist erstaunlich, welche Ähnlichkeit von Form und Wesen bei größter Fremdheit der Blutlinien auftreten kann. Ein Saurier lebt als Vogel, eine Eule nach Art des Murmeltiers. Wenn man »den Fisch« nicht mehr als eine Art Stafettenläufer im anatomischen System, sondern als Lebensform und -schicksal auffaßt, kann man sagen, daß es Würmer, Schlangen, Saurier, Vögel, Säugetiere und auch Menschen gibt, die Fische sind. Das setzt eine geringfügige Verschiebung der Optik voraus, die eintreten könnte, wenn der Nominalismusstreit in eine neue Instanz getrieben würde, worauf Anzeichen hinweisen. Es gibt viele mögliche Natursysteme neben, außer und über dem unseren.“ Ernst Jünger (1895–1998) deutscher Schriftsteller und Publizist Fisch , Über natur , Fliegend , Vogel
„Ich bin frei. Ich schließe die Augen und denke eine Weile über diesen Umstand nach. Aber noch bin ich nicht imstande, wirklich zu begreifen, was es bedeutet, frei zu sein. Im Augenblick begreife ich nur, dass ich völlig allein bin. Allein in einem unbekannten Land, wie ein einsamer Entdecker ohne Kompass und Karten. Ist das Freisein?“ Haruki Murakami buch Kafka am Strand Kafka on the Shore Denken , Land
„Er verhehlte auch nie sein Desinteresse an etwas, gehörte zu denen, deren Nähe man nicht sucht, deren Fremdheit zugleich dauerirritiert.“ Helmut Krausser (1964) deutscher Schriftsteller, Dichter und Bühnenautor Thanatos
„Mode ist deswegen problematisch, weil sie etwas Äußerliches, die Bekleidung, zu einem Bestandteil des Körpers selbst umstilisieren will. Mode wäre nur dann erträglich, wenn sie erstens das Immergleiche des menschlichen Körpers anerkennen und wenn sie zweitens die Fremdheit zwischen Körper und Kleidung einräumen würde. Wie jeder weiß, will Mode diese Kluft gerade verschwinden lassen und landet deswegen nicht immer, aber viel zu oft in der nicht bemerkten und deswegen nicht anerkannten Lächerlichkeit.“ Wilhelm Genazino (1943–2018) deutscher Schriftsteller Auf der Kippe: ein Album Mode